Das Parlament berät das neue Revisionsrecht
Neue Spielregeln für die
Revisoren
Nach diversen
Börsenskandalen wurden in den USA die aufsichtsrechtlichen Vorschriften
massiv verschärft. Daraus wurde ein internationaler Trend, dem sich die
Schweiz nicht entziehen kann. Noch im laufenden Jahr wird das Parlament
das neue Revisionsaufsichtsgesetz verabschieden. Es definiert erstmals
die Anforderungen an die Wirtschaftsprüfer und schreibt unterschiedliche
Prüfungen für KMU und Grossbetriebe vor.
Die Schweizer Revisionsbranche steht vor einem tief greifenden Wandel:
Die Revisoren werden neu einer staatlichen Aufsichtsbehörde unterstellt
und damit wird die bisherige Selbstregulierung der Vergangenheit
angehören. Die Aufgaben des Prüfers werden substanziell erweitert und an
internationale Grundsätze angeglichen. Anderseits soll es auch
Erleichterungen für die Prüfung von kleineren und mittleren Unternehmen
(KMU) geben. Das Bundesamt für Justiz hat ein neues
Revisionsaufsichtsgesetz (RAG) und Änderungen im Obligationenrecht
ausgearbeitet. Die Botschaft hat der Bundesrat im Juni letzten Jahres
publiziert. Das Parlament wird das Gesetz im laufenden Jahr beraten. Die
Neuerungen dürften 2006, spätestens aber 2007 in Kraft gesetzt werden.
Im Schatten der
US-Skandale
Hintergrund dieser
Änderungen sind die zahlreichen Bilanzskandale in den USA, aber auch in
der Schweiz. Nach dem Zusammenbruch des US-Energiekonzerns Enron
erliessen die USA den „Sarbanes-Oxley Act“. Dieser hat zum Ziel, die
Corporate Governance der Unternehmen zu verbessern und bei den
Prüfgesellschaften neben der umfassenderen Prüfung eine strengere
Trennung von Revision und Beratung durchzusetzen. Mit dem Public Company
Accounting Oversight Board (PCAOB) wurde zudem eine neue staatliche
Aufsichtsstelle geschaffen.
Im Zuge dieser Ereignisse hat sich der Bundesrat
entschlossen, das Revisionsrecht sowie die Bestimmungen zur
Revisionsaufsicht rasch an die internationalen Entwicklungen anzupassen.
Mit den vorliegenden Entwürfen zur Revision des Obligationenrechtes und
zum neuen RAG sollen die geltenden Vorschriften zur Revision umfassend
verbessert und die Revisionspflicht unabhängig von der Rechtsform einer
Gesellschaft definiert werden. Bei diesen Neuerungen wurden die
Bedürfnisse der kleinen und mittleren Unternehmen berücksichtigt.
Unternehmensspezifische Regelung der
Revisionspflicht
Die Revisionspflicht basiert nicht mehr auf der Rechtsform eines
Unternehmens. Vielmehr werden folgende Unterscheidungen nach
Unternehmensgrösse getroffen:
-
Publikumsgesellschaften: börsenkotiert bzw. mit ausstehenden
Anleihen
-
Wirtschaftlich bedeutende Unternehmen: die Bilanzsumme übersteigt
6 Mio., der Umsatz 12 Mio. Franken und sie beschäftigen mindestens 50
Mitarbeiter; zwei dieser drei Kriterien müssen in zwei aufeinander
folgenden Geschäftsjahren erfüllt sein
-
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU).
Publikumsgesellschaften und wirtschaftlich bedeutende Unternehmen müssen
ihre Jahres- und Konzernrechnung von ihrer Revisionsstelle ordentlich
revidieren lassen. Die ordentliche Revision entspricht grundsätzlich der
Revision des bisherigen Aktienrechts. Allerdings ist der Aufgabenkatalog
präzisiert und erweitert worden. Insbesondere werden die Angaben bei der
Prüfung des Internen Kontrollsystems erweitert.
Für die KMU sieht der
Gesetzesentwurf nur noch eine eingeschränkte Prüfung durch die
Revisionsstelle vor. Bei der eingeschränkten Revision handelt es sich um
eine für das Schweizer Gesellschaftsrecht neuartige Form der Prüfung.
International hat sich diese Art der Prüfung als „prüferische
Durchsicht“ bzw. „Review“ bereits durchgesetzt.
Unternehmen mit
weniger als 10 Mitarbeitern (Vollzeitstellen) sollen durch Beschluss der
Gesellschafter- oder Generalversammlung auf eine Revision verzichten
können (das sogenannte „Opting-out“). Die Anzahl solcher kleiner
Gesellschaften ist beträchtlich. Man rechnet damit, dass ca. 240'000
Aktien-Gesellschaften, welche heute einer Revisionspflicht unterstehen,
in Zukunft auf die Ernennung einer Revisionsstelle verzichten können.
Festlegung der Prüfungsaufgaben
Für die
Revisionsstellen von Publikumsgesellschaften und anderen wirtschaftlich
bedeutenden Unternehmen werden neu die Prüfungsaufgaben präziser
festgelegt. Damit soll einer der grossen Mängel des bisherigen Rechts,
nämlich die Umschreibung der Prüfung in einer Art Generalklausel und der
damit zusammenhängenden übertriebenen Erwartungshaltung der
Öffentlichkeit (man spricht von einer „Expectation Gap“), behoben
werden. Neu hat sich die Revisionsstelle bei ordentlichen Prüfungen auch
explizit zur Existenz und Funktionsweise des internen Kontrollsystems (IKS)
sowie zur adäquaten Risikobeurteilung durch den Verwaltungsrat zu
äussern. Ferner hat eine detaillierte zusätzliche Berichterstattung über
das Resultat der Prüfungsarbeiten zu erfolgen.
Die eingeschränkte
Revision sieht dagegen nur limitierte Prüfungshandlungen sowie eine
vereinfachte Berichterstattung vor. Beispielsweise muss keine eingehende
Prüfung der Einzelpositionen sowie deren Bewertung erfolgen. Es braucht
keine physische Bestandesaufnahme und das Interne Kontrollsystem muss
nicht geprüft werden.
Verschärfte Vorschriften zur Unabhängigkeit
Das bisherige Recht
kennt keine detaillierten Vorschriften zur Unabhängigkeit der Revisoren.
Dieser Mangel wurde nun behoben. Neu ist der ordentlichen
Revisionsstelle die Erbringung von Dienstleistungen verboten, mit denen
das Risiko entstehen könnte, eigene Arbeiten überprüfen zu müssen
(Verbot der Selbstprüfung). Darunter fallen u.a. die Mitwirkung bei der
Buchführung und der Abschlusserstellung.
Für die
eingeschränkte Revision gilt ein weniger strenger Massstab. So ist
beispielsweise die Mitwirkung der Revisionsstelle bei der Buchführung
zugelassen, sofern sichergestellt ist, dass die Buchhaltungs- und die
Revisionsarbeiten personell getrennt durchgeführt werden. Kategorien
von Revisoren
Die fachlichen
Anforderungen an die Revisoren werden im Gesetzesentwurf nach der Art
der Revision und der Bedeutung der zu prüfenden Gesellschaft in
verschiedene Kategorien eingeteilt. Für die ordentliche Revision von
wirtschaftlich bedeutenden Unternehmen ist ein zugelassener
Revisionsexperten vorgeschrieben, also ein eidg. dipl. Wirtschaftsprüfer
oder Inhaber von vergleichbaren Diplomen mit entsprechender Fachpraxis.
Die ordentliche Revision von Publikumsgesellschaften setzt ein staatlich
beaufsichtigtes Revisionsunternehmen voraus, welches zugelassene
Revisionsexperten beschäftigt und von einer neu zu schaffenden
Eidgenössischen Revisionsaufsichtbehörde beaufsichtigt wird.
Für die
eingeschränkte Revision muss mindestens ein staatlich zugelassener
Revisor beigezogen werden. Die Anforderungen hinsichtlich Ausbildung und
Berufspraxis gehen weniger weit als bei den Revisionsexperten.
Welches sind die Folgen dieser Neuerungen ?
Die vorgeschlagenen
Änderungen werden wohl eine inskünftige Zweiteilung der Branche
bewirken. Auf der einen Seite steht das detailliert geregelte
Prüfgeschäft für Publikumsgesellschaften und wirtschaftlich bedeutende
Unternehmen mit enger Anbindung an internationale Normen. Auf der
anderen Seite die Prüfung und Beratung von KMU mit weniger weit
reichenden Vorschriften, allenfalls sogar mit einem Verzicht auf die
Prüfung. Beide Branchenausrichtungen bieten Chancen für den Berufsstand
der Wirtschaftsprüfer.
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