Region Basel / Themen 2006
  
 

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Rechnungslegung



Markus Kocher
dipl. Wirtschaftsprüfer
Senior Manager
Ernst & Young AG, Basel

markus.kocher@ch.ey.com

 

 

    

  IPSAS - True & Fair View im Gemeinwesen

Gläserne Taschen für die öffentliche Hand

Die Rechnungslegung in der Privatwirtschaft hat längst den Anforderungen umfassender Transparenz zu genügen. Wie aber sieht es bei der öffentlichen Hand aus? Auch für sie bestehen neue Standards, deren Einführung nicht einfach, aber unumgänglich ist.
 

 
 

Der Vorteil einheitlicher Standards in Buchführung und Rechnungslegung im Gemeinwesen ist offensichtlich. Im Vordergrund steht die Vergleichbarkeit der Finanzkraft von Bund, Kantonen und Gemeinden mit den geeigneten Instrumenten wie Bilanz, Erfolgsrechnung, Geldflussrechnung zum Nutzen nicht nur des Bürgers, sondern auch der Parlamente und der Verwaltung. Auch die Verantwortung für Finanzentscheide lässt sich weit besser wahrnehmen, wenn sie sich auf kompatible und vereinheitlichte Finanzinformationen stützen kann.

Die zuständigen Stellen von Bund, Kantonen und Gemeinden sind also derzeit gefordert. Es gilt, dem steigenden nationalen wie auch internationalen Anspruch auf einheitliche Rechnungslegung nachzukommen. Dazu braucht es in erster Linie einen Konsens über den «richtigen» Standard und seine Auslegung. Ist dieser Konsens gefunden, so folgt die aufwändige Anpassung der Buchhaltungsrichtlinien und der Umsetzungsprozess in den Verwaltungen. Erfahrungen aus der Privatwirtschaft zeigen, dass eine Umstellung der Rechnungslegung tief greifende Auswirkungen auf die internen Abläufe haben kann.

Konzernbilanzen für das Gemeinwesen
Auch im Gemeinwesen (insbesondere bei Bund und Kantonen) bestehen «Konzerne» mit zahlreichen angeschlossenen «Firmen». Mit dem anhaltenden Trend zur Auslagerung von ehemaligen Dienststellen zu rechtlich selbständigen Einheiten (industrielle Betriebe,Verkehrsbetriebe,Hochschulen) hat hier de facto aber eine Dekonsolidierung stattgefunden. Mit den heute gängigen Einzelabschlüssen wird folglich kein umfassendes finanzielles Bild mehr über die gesamte öffentliche Körperschaft gegeben.

Die IPSAS (International Public Sector Accounting Standards) als Pendent zu den für die Privatwirtschaft geltenden IFRS (International Financial Reporting Standards) verlangen dagegen, die Staatsrechnung nach bewährten Konsolidierungsregeln zu erstellen und voll oder mehrheitlich beherrschte Betriebe und Institutionen mit zu berücksichtigen. Damit wird auch dem Steuerzahler ein umfassender Einblick in die Vermögens- und Ertragslage gewährt. Und ebenso wichtig: Die neuen Standards unterstützen dank der Einführung verbindlicher Richtlinien und detaillierter Aufzeichnungspflichten das «Konzern-Controlling» und damit die Sicherheit in der öffentlichen Verwaltungsführung.

Der Vorteil einer true & fair-Bewertung liegt für den Bilanzleser im Wegfall der so genannten stillen Reserven. Um sowohl die tatsächliche Vermögenslage als auch ein effektives Jahresergebnis vermittelt zu bekommen, müssen geeignete Bewertungsgrundsätze definiert sein. Die IPSAS berücksichtigen in ihren Definitionen die Besonderheiten im Gemeinwesen; es gilt zwar grundsätzlich das Marktwertprinzip, im Unterschied zu den IFRS werden aber Ausnahmen toleriert.

Herausforderungen von True & Fair View
Die Anpassung der Bilanzierungsgrundsätze im Gemeinwesen hin zu einem True & Fair View kann aber auch zu Überraschungen führen. Bei Fällen, in denen durch die Neubewertungen markant stille Reserven aufgelöst werden müssten, entstünden höhere Eigenmittelausweise. Das Gemeinwesen wird also gefordert sein, überzeugend darzulegen, inwieweit diese Reserven für den zukünftigen Investitionsbedarf gebunden sind oder ob allenfalls tatsächlich «frei verfügbare Reserven» bestehen.

Die Grundsätze der IPSAS sind im Einklang mit unserem Rechtsverständnis und tragen den Besonderheiten im Gemeinwesen angemessen Rechnung. Mit dem Harmonisierten Rechnungsmodell (HRM) wurde bereits ein erster (vorwiegend formeller) Schritt in Richtung einheitlicher Instrumente vollzogen. Die weitergehenden Standards der IPSAS sind durchaus anwendbar und bieten die grosse Chance, massgeblich zur materiellen Harmonisierung der Rechnungslegung im Gemeinwesen der Schweiz beizutragen. Und es bestehen wohl auch keine nennenswerte Alternativen.