Der Vorteil einheitlicher
Standards in Buchführung und Rechnungslegung im Gemeinwesen ist
offensichtlich. Im Vordergrund steht die Vergleichbarkeit der
Finanzkraft von Bund, Kantonen und Gemeinden mit den geeigneten
Instrumenten wie Bilanz, Erfolgsrechnung, Geldflussrechnung zum Nutzen
nicht nur des Bürgers, sondern auch der Parlamente und der Verwaltung.
Auch die Verantwortung für Finanzentscheide lässt sich weit besser
wahrnehmen, wenn sie sich auf kompatible und vereinheitlichte
Finanzinformationen stützen kann.
Die zuständigen Stellen von
Bund, Kantonen und Gemeinden sind also derzeit gefordert. Es gilt, dem
steigenden nationalen wie auch internationalen Anspruch auf einheitliche
Rechnungslegung nachzukommen. Dazu braucht es in erster Linie einen
Konsens über den «richtigen» Standard und seine Auslegung. Ist dieser
Konsens gefunden, so folgt die aufwändige Anpassung der
Buchhaltungsrichtlinien und der Umsetzungsprozess in den Verwaltungen.
Erfahrungen aus der Privatwirtschaft zeigen, dass eine Umstellung der
Rechnungslegung tief greifende Auswirkungen auf die internen Abläufe
haben kann.
Konzernbilanzen für das
Gemeinwesen
Auch im Gemeinwesen (insbesondere bei Bund und Kantonen) bestehen
«Konzerne» mit zahlreichen angeschlossenen «Firmen». Mit dem anhaltenden
Trend zur Auslagerung von ehemaligen Dienststellen zu rechtlich
selbständigen Einheiten (industrielle
Betriebe,Verkehrsbetriebe,Hochschulen) hat hier de facto aber eine
Dekonsolidierung stattgefunden. Mit den heute gängigen Einzelabschlüssen
wird folglich kein umfassendes finanzielles Bild mehr über die gesamte
öffentliche Körperschaft gegeben.
Die IPSAS (International
Public Sector Accounting Standards) als Pendent zu den für die
Privatwirtschaft geltenden IFRS (International Financial Reporting
Standards) verlangen dagegen, die Staatsrechnung nach bewährten
Konsolidierungsregeln zu erstellen und voll oder mehrheitlich
beherrschte Betriebe und Institutionen mit zu berücksichtigen. Damit
wird auch dem Steuerzahler ein umfassender Einblick in die Vermögens-
und Ertragslage gewährt. Und ebenso wichtig: Die neuen Standards
unterstützen dank der Einführung verbindlicher Richtlinien und
detaillierter Aufzeichnungspflichten das «Konzern-Controlling» und damit
die Sicherheit in der öffentlichen Verwaltungsführung.
Der Vorteil einer true &
fair-Bewertung liegt für den Bilanzleser im Wegfall der so genannten
stillen Reserven. Um sowohl die tatsächliche Vermögenslage als auch ein
effektives Jahresergebnis vermittelt zu bekommen, müssen geeignete
Bewertungsgrundsätze definiert sein. Die IPSAS berücksichtigen in ihren
Definitionen die Besonderheiten im Gemeinwesen; es gilt zwar
grundsätzlich das Marktwertprinzip, im Unterschied zu den IFRS werden
aber Ausnahmen toleriert.
Herausforderungen von
True & Fair View
Die Anpassung der Bilanzierungsgrundsätze im Gemeinwesen hin zu einem
True & Fair View kann aber auch zu Überraschungen führen. Bei Fällen, in
denen durch die Neubewertungen markant stille Reserven aufgelöst werden
müssten, entstünden höhere Eigenmittelausweise. Das Gemeinwesen wird
also gefordert sein, überzeugend darzulegen, inwieweit diese Reserven
für den zukünftigen Investitionsbedarf gebunden sind oder ob allenfalls
tatsächlich «frei verfügbare Reserven» bestehen.
Die Grundsätze der IPSAS
sind im Einklang mit unserem Rechtsverständnis und tragen den
Besonderheiten im Gemeinwesen angemessen Rechnung. Mit dem
Harmonisierten Rechnungsmodell (HRM) wurde bereits ein erster
(vorwiegend formeller) Schritt in Richtung einheitlicher Instrumente
vollzogen. Die weitergehenden Standards der IPSAS sind durchaus
anwendbar und bieten die grosse Chance, massgeblich zur materiellen
Harmonisierung der Rechnungslegung im Gemeinwesen der Schweiz
beizutragen. Und es bestehen wohl auch keine nennenswerte Alternativen. |