Nicht nur unser Finanzminister Merz ärgert
sich, wenn ein beruftätiges Ehepaar als Folge der Heirat bei gleichem
Einkommen plötzlich bedeutend mehr Steuern bezahlen soll. Bereits Mitte
der achtziger Jahre hat das Bundesgericht die steuerliche Mehrbelastung
des Ja-Wortes als verfassungswidrig erklärt. Alle Kantone haben seither
ihre Gesetze angepasst und die Heiratsstrafe praktisch beseitigt. Im
Bund ist das Problem dagegen noch immer ungelöst.
Steuerprogression
als Ursache der Heiratsstrafe bei der Bundessteuer
Der steile
Progressionsverlauf der direkten Bundessteuer bestraft fast die Hälfte
aller verheirateten Doppelverdiener. Dies betrifft vor allem Ehegatten
des gehobenen Mittelstandes. Die Mehrbelastung kann je nach
Einkommensverteilung und -höhe über 100 Prozent betragen (vgl. Tabelle I).
Die steuerliche Belastung der Einverdiener-Konkubinatspaare ist dagegen
immer höher als die der Einverdienerehepaare. Die direkte Bundessteuer
beseitigt demzufolge die Heiratsstrafe vor allem für
Einverdiener-Ehepaare, obwohl die überwiegende Mehrheit aller
Konkubinats- und Ehegattenhaushalte heute aus Zweiverdienerpaaren
besteht. Dieser gesellschaftlichen Entwicklung der Familienstrukturen
soll nun aber endlich Rechnung getragen werden.
Bundesrat plant Sofortmassnahme
Mit einer
Sofortmassnahme will der Bundesrat erst einmal der Progressionswirkung
der Heirat zu Leibe rücken. Denn eine tief greifende Modernisierung der
Familienbesteuerung ist für die Bundeskasse noch nicht verkraftbar.
Gesetzt wird daher auf eine einfache Massnahme, die zügig umgesetzt
werden kann: Geplant ist eine 500 Millionen kostende Kombi-Lösung mit
einem Zweiverdienerabzug von 7’600 Franken bis maximal 12’500 Franken
(gegenüber heute fix 7600 Franken) und einem Verheiratetenabzug von
2’500 Franken vom steuerbaren Einkommen.
Laut
Finanzdepartement (EFD) kann mit der Kombi-Lösung das Ziel der Milderung
der Heiratsstrafe effizient erreicht werden: Rund 160'000 Ehepaare mit
Doppeleinkommen würden komplett von der Heiratsstrafe befreit. Für
weitere 80'000 Ehepaare bliebe diese in gemilderter Form bestehen. Wie
diese Zahlen zustande kommen, ist nicht bekannt.
Einfache
Berechnungen zeigen aber, dass vor allem Ehegatten mit einem
Doppeleinkommen von 80'000 bis 100'000 Franken von der Heiratsstrafe
tatsächlich befreit werden. Ein eigentlicher Steuersegen ist das aber
für alle Doppelverdiener-Ehepaare sicherlich nicht. Denn die meisten
werden gerade mal ein paar Hundert Franken weniger Steuern bezahlen
müssen. Ob sich damit - wie vom EFD jüngst verkündet - die negativen
Anreize zur Arbeitsaufnahme von nicht erwerbstätigen Ehepartnern
beseitigen lässt, ist mehr als fraglich.
Aufgrund
der ersten Reaktionen scheinen die Pläne des Bundesrates aber trotzdem
gute Chancen zu haben. Allerdings, immer dann, wenn man glaubt ein
Problem gelöst zu haben, taucht bereits ein neues auf: Kritiker der
Kombi-Lösung bemängeln nämlich, dass die geplante Sofortmassnahme zu
neuen Ungerechtigkeiten zwischen den Doppelverdiener-Ehepaaren und den
Einverdiener-Ehepaaren führt. Denn mit der Anhebung des
Zweiverdienerabzuges auf maximal 12'500 Franken öffnet sich die
Steuerschere zwischen den Ein- und den Doppelverdiener-Ehepaaren noch
stärker (vgl. Tabelle 2).
Die
Kombi-Lösung ist für Finanzminister Merz allerdings auch nur ein
Zwischenschritt zu einer umfassenden Reform der Ehepaar- und
Familienbesteuerung. Das EFD arbeitet zu diesem Zweck bereits fieberhaft
an einer weiteren Botschaft, welche noch im laufenden Jahr
Lösungsvorschläge zur Abschaffung der Heiratsstrafe mit dem
Systementscheid – Individualbesteuerung oder Splitting – bringen soll.
Das ist langfristig betrachtet sicherlich das richtige Vorgehen und wird
die Diskussion um die Ehegattenbesteuerung in die richtige Richtung neu
beleben.
Kantonale Systeme der
Ehegattenbesteuerung
Die Kantone
entlasten die Ehegatten unterschiedlich: In einigen Kantonen sorgt ein
günstigerer Tarif für Verheiratete, meist kombiniert mit einem
besonderen Ehegatten- oder Zweitverdienerabzug (z.B. BS, BL, BE, GE, ZG,
ZH), für eine ausgewogene Belastungsrelation. Andere Kantone (z.B. AG,
SG, SZ) sehen für Verheiratete ein Splittingverfahren
vor. Beim Splitting wird der Steuersatz für Verheiratete von
einem reduzierten Einkommen berechnet. Das ermässigt natürlich den
Steuersatz. Die maximale Entlastung wird beim Vollsplitting erreicht.
Ähnlich funktioniert das Familiensplitting im Kanton Waadt, wobei hier
die Reduktion des Steuersatzes von der Anzahl aller Familienmitglieder
abhängig ist.
Das
Vollsplitting für Ehepaare und Alleinerziehende will nun auch der Kanton
Baselland einführen. Begleitet wird diese „Tarifrevolution“ von weiteren
Abzügen für Kinder und deren Betreuung durch Dritte, einer zusätzlichen
Tarifkorrektur für Rentner, einer Erhöhung des
Versicherungsprämienabzuges und einer weitgehenden Steuerbefreiung des
Existenzminimums. Profiteure dieser richtungsweisenden Vorlage sind fast
alle: Von der Einelternfamilie mit Kind über das Alleinverdiener-Ehepaar
mit und ohne Kinder bis hin zum Rentnerehepaar. Doppelverdienende
dagegen werden durch das Vollsplitting weniger stark entlastet, da sie
schon unter dem bestehenden Tarifsystem einen Teilsplittingabzug von
20'000 Franken ausnützen können. Übersteht die Vorlage die politischen
Hürden und tritt sie 2007 tatsächlich in Kraft, werden viele
Konkubinatsehepaare mit Wohnsitz im Kanton Baselland, zumindest für
Steuerzwecke, eine Neubeurteilung der Lebensgemeinschaft vornehmen
müssen.
Die
gleichen Privilegien wie den Verheirateten müssen die Kantone auch
Alleinerziehenden gewähren. Tun sie es nicht, werden sie vom
Bundesgericht zurückgepfiffen wie letztes Jahr, als das höchste Gericht
eine umstrittene, weil verfassungswidrige Bestimmung im
Steuerharmonisierungsgesetz für alle Kantone zur verbindlichen Anwendung
deklariert hat. Damit dürfte die parlamentarische Pendenzenliste in
Sachen Ehegattenbesteuerung um einen weiteren Eintrag bereichert worden
sein.
Ehegattenbesteuerung im Ausland
Im Gegensatz zur Schweiz kennt die
Mehrzahl der OECD-Staaten die Individualbesteuerung beider Ehegatten
(z.B. Schweden, Niederlande, Grossbritannien, Österreich). Die
Gemeinschaftsbesteuerung wird vor allem noch in Frankreich angewendet,
wobei hier, ähnlich wie im Kanton Waadt, ein Familiensplitting zur
Anwendung kommt, bei dem die Steuerprogression von der Anzahl
Familienmitglieder abhängig ist. Deutschland und die USA kennen das
Wahlrecht, das heisst die Ehegatten können sich für die Individual- oder
Gemeinschaftsbesteuerung entscheiden, was bei richtiger Nutzung der
Wahlmöglichkeiten lukrative Steuervorteile bringt.
Der Blick
ins Ausland zeigt aber auch, dass alle Länder, welche beispielsweise die
Individualbesteuerung kennen, ihr Besteuerungssystem mit einem gegenüber
der Schweiz grundsätzlich anderen Familien- und Kinderzulagensystem
gekoppelt haben. Ein internationaler Vergleich ohne Berücksichtigung der
gesamten Staatsleistungen ist daher wenig hilfreich. Direkte
Erkenntnisse für die Gesamtwirkung einer schweizerischen Reform der
Ehegatten- und Familienbesteuerung lassen sich daraus jedenfalls nicht
ohne weiteres ableiten.
Fazit: Will
man das Übel an der Wurzel packen, geht es im geltenden System nicht
ohne tiefgreifende Änderungen in verkraftbaren Dosierungen für den
Bundeshaushalt. Langfristige Modelle wie ein Splittingverfahren oder gar
eine Individualbesteuerung sind zukunftsweisend und können die Basis für
eine ausgewogene Familienpolitik legen. Die konkrete Umsetzung solch
radikaler Einschnitte ins Steuersystem gestaltet sich jedoch schwierig,
da jede Reform wieder neue und unterschiedliche Belastungsrelationen zur
Folge haben wird.
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