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Steuern



Alain Lachappelle

lic
. iur, dipl. Steuerexperte

Partner LLK Treuhand AG
Mitglied der Treuhand-Kammer  

lachappelle@llk.ch

 

 

    

  Sofortmassnahmen des Bundesrat zur Ehegattenbesteuerung
 

Der lange Weg zur Abschaffung der „Heiratsstrafe“

 
     
 

„Heirat halbiert unsere Leiden, verdoppelt unsere Freuden und vervierfacht unsere Ausgaben“. Diese einfache Rechenkunst  bringt das Problem auf den Punkt: Heiraten verschärft die Progression und führt zu einer steuerlichen Mehrbelastung. Nun handelt der Bundesrat und will der so genannten „Heiratsstrafe“ endgültig den Garaus machen. Der Reformbedarf bei der Ehegattenbesteuerung ist zwar unbestritten, doch die konkrete Umsetzung gestaltet sich schwierig.

 

 
 

Nicht nur unser Finanzminister Merz ärgert sich, wenn ein beruftätiges Ehepaar als Folge der Heirat bei gleichem Einkommen plötzlich bedeutend mehr Steuern bezahlen soll. Bereits Mitte der achtziger Jahre hat das Bundesgericht die steuerliche Mehrbelastung des Ja-Wortes als verfassungswidrig erklärt. Alle Kantone haben seither ihre Gesetze angepasst und die Heiratsstrafe praktisch beseitigt. Im Bund ist das Problem dagegen noch immer ungelöst.

 

Steuerprogression als Ursache der Heiratsstrafe bei der Bundessteuer

Der steile Progressionsverlauf der direkten Bundessteuer bestraft fast die Hälfte aller verheirateten Doppelverdiener. Dies betrifft vor allem Ehegatten des gehobenen Mittelstandes. Die Mehrbelastung kann je nach Einkommensverteilung und -höhe über 100 Prozent betragen (vgl. Tabelle I). Die steuerliche Belastung der Einverdiener-Konkubinatspaare ist dagegen immer höher als die der Einverdienerehepaare. Die direkte Bundessteuer beseitigt demzufolge die Heiratsstrafe vor allem für Einverdiener-Ehepaare, obwohl die überwiegende Mehrheit aller Konkubinats- und Ehegattenhaushalte heute aus Zweiverdienerpaaren besteht. Dieser gesellschaftlichen Entwicklung der Familienstrukturen soll nun aber endlich Rechnung getragen werden.

 

Bundesrat plant Sofortmassnahme

Mit einer Sofortmassnahme will der Bundesrat erst einmal der Progressionswirkung der Heirat zu Leibe rücken. Denn eine tief greifende Modernisierung der Familienbesteuerung ist für die Bundeskasse noch nicht verkraftbar. Gesetzt wird daher auf eine einfache Massnahme, die zügig umgesetzt werden kann: Geplant ist eine 500 Millionen kostende Kombi-Lösung mit einem Zweiverdienerabzug von 7’600 Franken bis maximal 12’500 Franken (gegenüber heute fix 7600 Franken) und einem Verheiratetenabzug von 2’500 Franken vom steuerbaren Einkommen.

Laut Finanzdepartement (EFD) kann mit der Kombi-Lösung das Ziel der Milderung der Heiratsstrafe effizient erreicht werden: Rund 160'000 Ehepaare mit Doppeleinkommen würden komplett von der Heiratsstrafe befreit. Für weitere 80'000 Ehepaare bliebe diese in gemilderter Form bestehen. Wie diese Zahlen zustande kommen, ist nicht bekannt.

 

Einfache Berechnungen zeigen aber, dass vor allem Ehegatten mit einem Doppeleinkommen von 80'000 bis 100'000 Franken von der Heiratsstrafe tatsächlich befreit werden. Ein eigentlicher Steuersegen ist das aber für alle Doppelverdiener-Ehepaare sicherlich nicht. Denn die meisten werden gerade mal ein paar Hundert Franken weniger Steuern bezahlen müssen. Ob sich damit - wie vom EFD jüngst verkündet - die negativen Anreize zur Arbeitsaufnahme von nicht erwerbstätigen Ehepartnern beseitigen lässt, ist mehr als fraglich.

 

Aufgrund der ersten Reaktionen scheinen die Pläne des Bundesrates aber trotzdem gute Chancen zu haben. Allerdings, immer dann, wenn man glaubt ein Problem gelöst zu haben, taucht bereits ein neues auf: Kritiker der Kombi-Lösung bemängeln nämlich, dass die geplante Sofortmassnahme zu neuen Ungerechtigkeiten zwischen den Doppelverdiener-Ehepaaren und den Einverdiener-Ehepaaren führt. Denn mit der Anhebung des Zweiverdienerabzuges auf maximal 12'500 Franken öffnet sich die Steuerschere zwischen den Ein- und den Doppelverdiener-Ehepaaren noch stärker (vgl. Tabelle 2).

 

Die Kombi-Lösung ist für Finanzminister Merz allerdings auch nur ein Zwischenschritt zu einer umfassenden Reform der Ehepaar- und Familienbesteuerung. Das EFD arbeitet zu diesem Zweck bereits fieberhaft an einer weiteren Botschaft, welche noch im laufenden Jahr Lösungsvorschläge zur Abschaffung der Heiratsstrafe mit dem Systementscheid – Individualbesteuerung oder Splitting – bringen soll. Das ist langfristig betrachtet sicherlich das richtige Vorgehen und wird die Diskussion um die Ehegattenbesteuerung in die richtige Richtung neu beleben.

 

Kantonale Systeme der Ehegattenbesteuerung

Die Kantone entlasten die Ehegatten unterschiedlich: In einigen Kantonen sorgt ein günstigerer Tarif für Verheiratete, meist kombiniert mit einem besonderen Ehegatten- oder Zweitverdienerabzug (z.B. BS, BL, BE, GE, ZG, ZH), für eine ausgewogene Belastungsrelation. Andere Kantone (z.B. AG, SG, SZ) sehen für Verheiratete ein Splittingverfahren vor. Beim Splitting wird der Steuersatz für Verheiratete von einem reduzierten Einkommen berechnet. Das ermässigt natürlich den Steuersatz. Die maximale Entlastung wird beim Vollsplitting erreicht. Ähnlich funktioniert das Familiensplitting im Kanton Waadt, wobei hier die Reduktion des Steuersatzes von der Anzahl aller Familienmitglieder abhängig ist.

 

Das Vollsplitting für Ehepaare und Alleinerziehende will nun auch der Kanton Baselland einführen. Begleitet wird diese „Tarifrevolution“ von weiteren Abzügen für Kinder und deren Betreuung durch Dritte, einer zusätzlichen Tarifkorrektur für Rentner, einer Erhöhung des Versicherungsprämienabzuges und einer weitgehenden Steuerbefreiung des Existenzminimums. Profiteure dieser richtungsweisenden Vorlage sind fast alle: Von der Einelternfamilie mit Kind über das Alleinverdiener-Ehepaar mit und ohne Kinder bis hin zum Rentnerehepaar. Doppelverdienende dagegen werden durch das Vollsplitting weniger stark entlastet, da sie schon unter dem bestehenden Tarifsystem einen Teilsplittingabzug von 20'000 Franken ausnützen können. Übersteht die Vorlage die politischen Hürden und tritt sie 2007 tatsächlich in Kraft, werden viele Konkubinatsehepaare mit Wohnsitz im Kanton Baselland, zumindest für Steuerzwecke, eine Neubeurteilung der Lebensgemeinschaft vornehmen müssen.

 

Die gleichen Privilegien wie den Verheirateten müssen die Kantone auch Alleinerziehenden gewähren. Tun sie es nicht, werden sie vom Bundesgericht zurückgepfiffen wie letztes Jahr, als das höchste Gericht eine umstrittene, weil verfassungswidrige Bestimmung im Steuerharmonisierungsgesetz für alle Kantone zur verbindlichen Anwendung deklariert hat. Damit dürfte die parlamentarische Pendenzenliste in Sachen Ehegattenbesteuerung um einen weiteren Eintrag bereichert worden sein.

 

Ehegattenbesteuerung im Ausland

Im Gegensatz zur Schweiz kennt die Mehrzahl der OECD-Staaten die Individualbesteuerung beider Ehegatten (z.B. Schweden, Niederlande, Grossbritannien, Österreich). Die Gemeinschaftsbesteuerung wird vor allem noch in Frankreich angewendet, wobei hier, ähnlich wie im Kanton Waadt, ein Familiensplitting zur Anwendung kommt, bei dem die Steuerprogression von der Anzahl Familienmitglieder abhängig ist. Deutschland und die USA kennen das Wahlrecht, das heisst die Ehegatten können sich für die Individual- oder Gemeinschaftsbesteuerung entscheiden, was bei richtiger Nutzung der Wahlmöglichkeiten lukrative Steuervorteile bringt.

 

Der Blick ins Ausland zeigt aber auch, dass alle Länder, welche beispielsweise die Individualbesteuerung kennen, ihr Besteuerungssystem mit einem gegenüber der Schweiz grundsätzlich anderen Familien- und Kinderzulagensystem gekoppelt haben. Ein internationaler Vergleich ohne Berücksichtigung der gesamten Staatsleistungen ist daher wenig hilfreich. Direkte Erkenntnisse für die Gesamtwirkung einer schweizerischen Reform der Ehegatten- und Familienbesteuerung lassen sich daraus jedenfalls nicht ohne weiteres ableiten. 

Fazit: Will man das Übel an der Wurzel packen, geht es im geltenden System nicht ohne tiefgreifende Änderungen in verkraftbaren Dosierungen für den Bundeshaushalt. Langfristige Modelle wie ein Splittingverfahren oder gar eine Individualbesteuerung sind zukunftsweisend und können die Basis für eine ausgewogene Familienpolitik legen. Die konkrete Umsetzung solch radikaler Einschnitte ins Steuersystem gestaltet sich jedoch schwierig, da jede Reform wieder neue und unterschiedliche Belastungsrelationen zur Folge haben wird.

 
 
 

Wenn Sofortmassnahmen etwas länger dauern

Seit dem Volksnein zum Steuerpaket im Mai 2004 wächst der politische Druck, den Stachel der Heiratsstrafe endlich aus dem Steuersystem zu entfernen. Zahlreiche Vorstösse, welche alle mehr oder weniger das gleiche Ziel verfolgen, sind seitdem von den Parteien lanciert worden. Der Bundesrat hat daher im September 2005 mit der Vorlage einer Botschaft „Sofortmassnahmen im Bereich der Ehepaarbesteuerung“ ein Signal gesetzt und das Szepter zur Beseitigung dieser 20 Jahre alten Ungerechtigkeit übernommen. Allerdings mit mässigem Erfolg. Denn der Vorschlag, die Hälfte des zweiten Einkommens von Ehepaaren bis zu einem Maximum von 55 000 Franken bei den Steuern abzuziehen, wurde von links bis rechts bereits in der Vernehmlassung arg zerzaust. Kritisiert wurde vor allem, dass die verfassungswidrige Mehrbelastung der Ehegatten mit einer Erhöhung des Steuertarifs für Alleinstehende gegenfinanziert werden sollte und Rentnerehepaare von den Sofortmassnahmen überhaupt nicht profitieren konnten.

Das rundweg vernichtende Echo auf die bundesrätliche Sofortmassnahme muss die Amtsstuben in Bern derart erschüttert haben, dass Finanzminister Merz bereits Mitte Februar dieses Jahres neue Sofortmassnahmen angekündigt hat. Diese liegen seit Mitte März in Form einer Kombination von Anhebung des Zweitverdienerabzuges und der Neueinführung eines Verheiratetenabzuges auf dem Tisch (vgl. oben stehender Artikel). Die Botschaft zu seinem Neuanlauf will der Bundesrat noch vor den Sommerferien verabschieden. In Kraft treten sollen die Sofortmassnahmen auf Anfang 2008.