Gewerbsmässiger Wertschriftenhandel und Unternehmenssteuerreform II
Flexibilität und Ermessen
kontra explizite gesetzliche Regelung
Die
Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung vom gewerbsmässigen
Wertschriftenhandel ist heikel und sorgt für Verunsicherung. Dies soll
sich mit der Unternehmenssteuerreform II ändern. Allerdings dürfte das
heute geltende Kreisschreiben für den Steuerpflichtigen mehr
Flexibilität bieten.
Im
Schweizer Steuerrecht gilt das Prinzip der
„Gesamt-Reineinkommenssteuer“. Grundsätzlich sind alle Einkünfte
steuerbar. Ausgenommen von der Besteuerung sind Einkünfte nur, wenn ein
Gesetz dies explizit anordnet. Eine solche Ausnahme gilt für
Kapitalgewinne aus der Veräusserung von beweglichem Privatvermögen (also
z.B. von im Privatvermögen gehaltenen Wertschriften) - nicht aber für
die Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Geschäftsvermögen. Diese
sind als Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit steuerbar.
Erfasst wird damit folglich auch der gewerbsmässige Wertschriftenhandel.
Fixe
Kriterien statt Ermessensentscheide
In diesem
Spannungsfeld zwischen Geschäfts- und Privatvermögen bewegt sich die
Diskussion über den gewerbsmässigen Wertschriftenhandel. Die Entscheide
dazu sind so zahlreich, wie die Praxis der Veranlagungsbehörden
unterschiedlich ist. Um den Steuerpflichtigen mehr Rechtssicherheit zu
verschaffen, hat die Eidg. Steuerverwaltung im Juni 2005 ein
Kreisschreiben veröffentlicht. Aber auch mit diesem Kreisschreibens ist
im Einzelfall letztlich aufgrund von Kriterien wie Umschlagshäufigkeit,
Haltedauer, Fremdfinanzierung, systematische Vorgehensweise und Einsatz
spezieller Fachkenntnisse zu prüfen, ob Gewerbsmässigkeit vorliegt.
Ähnlich
wie bei anderen umstrittenen Tatbeständen (indirekte Teilliquidation,
Transponierung) soll daher die Unternehmenssteuerreform (UStR) II mit
einer rechtlichen Regelung Klarheit bringen. Nach der ersten Beratung im
2006 erachten National- und Ständerat die Grenze privater
Wertschriftenverwaltung als überschritten, wenn während mindestens zwei
aufeinander folgenden Steuerjahren eine gewisse Umschlagshäufigkeit
gemessen am Stand des Wertschriftenvermögens zu Beginn der Steuerperiode
erreicht wird. Beide Räte sehen eine unbefristete
Verrechnungsmöglichkeit von Kapitalverlusten mit Kapitalgewinnen vor.
Differenzen bestehen hingegen noch hinsichtlich einer allfälligen fixen
Grenze der jährlichen Verkaufserlöse (z.B. dass nur Erlöse zu versteuern
sind, wenn die jährlichen Erlöse gesamthaft den Wert von 500'000 Franken
übersteigen), bei der Frage welche Steuerjahre zur Besteuerung gelangen
und ob Wertschriften mit einer gewissen Haltedauer ausser Betracht
fallen sollen.
Vorteile der heutigen Regelung
Die
Vorschläge des Parlaments könnten zu einer Verschärfung der heutigen
Praxis führen. Während der Einsatz fremder Mittel heute wohl als
stärkstes Indiz des gewerbsmässigen Wertschriftenhandels gilt, wäre die
Finanzierung künftig offenbar nicht mehr entscheidend, d.h. auch eine
vollständig eigenfinanzierte Handelstätigkeit könnte bei Vorliegen der
oben erwähnten Kriterien ohne weiteres als gewerbsmässig betrachtet
werden. Zudem würden wohl durch die „Verobjektivierung“ der
Tatbestandsmerkmale künftig nicht mehr sämtliche Umstände des konkreten
Einzelfalls für die Qualifikation der Gewerbsmässigkeit herangezogen.
Weil die erforderlichen Kriterien jedoch in zwei aufeinander folgenden
Jahren erfüllt sein müssen, könnten die Vorschläge andererseits aber
auch zu „Planungsmöglichkeiten“ und mehr Rechtssicherheit führen.
Dass eine
explizite gesetzliche Regelung des gewerbsmässigen Wertschriftenhandels
technisch und politisch heikel ist, haben National- und Ständerat
bereits bei den Beratungen über das Stabilisierungsprogramm 1998
erfahren. Aufgrund der Komplexität wurde schliesslich auf eine
Gesetzesnorm verzichtet. Damals wurde entschieden, die Praxis zum
gewerbsmässigen Wertschriftenhandel nicht weiter auszudehnen, um
weiterhin eine „dynamische private Vermögensverwaltung zu ermöglichen“.
Vor diesem Hintergrund erscheint die heute im Kreisschreiben skizzierte
Praxis letztlich als die flexiblere Lösung als die mit der UStR II
angestrebte Regelung.
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