Die eidgenössischen Räte haben im Dezember 2005 die
Änderungen im Obligationenrecht, im Vereins- und Stiftungsrecht sowie
das neue Revisionsaufsichtsgesetz verabschiedet. Neu ist jetzt nicht
mehr die Rechtsform das entscheidende Kriterium für die
Revisionspflicht, sondern die Unternehmensgrösse und die wirtschaftliche
Bedeutung der Gesellschaft. Die neuen Regeln gelten auch für Vereine,
Stiftungen usw.
Grössere Unternehmen sind künftig zu einer verschärften
ordentlichen Revision verpflichtet. In diesen Kreis fallen
Publikumsgesellschaften und wirtschaftlich bedeutende Unternehmen,
welche zwei der nachfolgenden Grössen in zwei aufeinander folgenden
Geschäftsjahren überschreiten: Bilanzsumme CHF 10 Mio., Umsatz CHF 20
Mio., im Jahresdurchschnitt 50 Vollzeitstellen.
Vor- und Nachteile der eingeschränkten Revision (eR)
Unternehmen, die oben genannte Schwellenwerte nicht
erreichen, gelten künftig als KMU und unterliegen grundsätzlich einer
eingeschränkten Revision. Die eR ist eine neue Form der Abschlussprüfung
und auch wieder nicht. Sie stützt sich auf Befragung, analytische
Prüfungshandlungen und angemessene Detailprüfungen. Somit entspricht sie
in etwa der heutigen Revisionstätigkeit bei KMU. Weitere Unterschiede
zur ordentlichen Revision bestehen bei den geringeren gesetzlichen
Anforderungen an die Qualifikation des Revisors und dessen
Unabhängigkeit.
Bei der eR darf der Revisor bei der Buchführung mitwirken
und andere Dienstleistungen erbringen. Der Prüfungsumfang geht weniger
weit als bei der ordentlichen Revision und beinhaltet u.a. keine Prüfung
des internen Kontrollsystems oder der Übereinstimmung mit einem
Regelwerk. Es werden neue Prüfungsstandards zur Anwendung kommen. Weiter
gibt der Revisor nur eine negative Bestätigung und keine Empfehlung zur
Genehmigung oder Rückweisung der Jahresrechnung ab. Schliesslich besteht
für ihn keine Meldepflicht bei Gesetzes- oder Statutenverstössen. Dies
sind einige der Neuerungen, die mit der eR verbunden sind.
Künftige Erleichterungen für KMU
Trotz der nun generellen Revisionspflicht für alle
Kapitalgesellschaften bestehen für die KMU also gewisse Vereinfachungen
aber auch Wahlmöglichkeiten, so genannte Opting-Klauseln, die zur Folge
haben, dass ein Unternehmen dennoch eine (ordentliche) Revision
vornehmen lassen kann oder muss (vgl. Grafik „Gesetzliche
Opting-Klauseln für KMU“).
Gesetzliche
Opting-Klauseln für KMU

Grundsätzlich stehen einem KMU folgende
Wahlmöglichkeiten bei der neuen Revision offen:
· Opting-up:
Durch einen Minderheitsbeschluss (Stimmen, die mindestens 10% des
Grundkapitals vertreten) kann ein Unternehmen, das nach Gesetz bloss
der eingeschränkten Revision unterliegen würde, zur ordentlichen
Revision gezwungen werden.
·
Opting-down:
Bei KMU mit höchstens 10 Vollzeitstellen kann die Revision durch
einstimmigen Beschluss auf bestimmte Teilbereiche (nach Mass)
beschränkt werden.
· Opting-out:
Bei KMU mit höchstens 10 Vollzeitstellen kann durch einstimmigen
Beschluss auf die Revision sogar gänzlich verzichtet werden.
Es kann allerdings auch ein Opting-in vorkommen:
Ein KMU entscheidet sich – vielleicht unter dem Druck der Kredit
gebenden Banken oder der Steuerbehörden – für die eingeschränkte oder
sogar die ordentliche Revision, obwohl es dazu nach Gesetz nicht
verpflichtet wäre.
Risiken der Erleichterungen
Durch die Gesetzesänderungen werden viele bisher aufgrund
ihrer Rechtsform revisionspflichtige KMUs lediglich der eR unterliegen
bzw. gar keine Prüfung durchführen. Zudem bestehen reduzierte
Anforderungen an den Revisor, dies nicht nur bezüglich seiner
Fachpraxis. Weiter kann der Prüfer unter der eR beim KMU wie bisher bei
der Buchführung mitwirken – Selbstprüfung ist freilich ausgeschlossen
und die gesetzlichen Unabhängigkeitsvorschriften sind zu respektieren.
Andererseits gilt es zu beachten, dass die neu
geschaffene eR zahlreiche Risiken birgt. So wird das Prüfungsurteil eine
wesentlich geringere Urteilssicherheit aufweisen (mittlere Zusicherung
um 60% gegenüber 90-95% bei der ordentlichen Revision) als im bisherigen
System. Die eR schafft zweifellos weniger Vertrauen bei Aktionären,
Kreditgebern, Lieferanten, Steuerbehörden und weiteren Stakeholdern.
Kosten nicht das massgebliche Kriterium
Alle neuen Gesetzesbestimmungen verfolgen das Ziel, das
Vertrauen der Öffentlichkeit in die Wirtschaft und in die
Revisionsbranche zu stärken. Es scheint, dass die eR im Gegensatz zur
ordentlichen Revision den Prüfern weniger Zeit, weniger Arbeit und
weniger Ressourcen abfordert. Deren Einsatz hängt aber auch vom
Organisationsgrad, der Risikositutation und der guten Führung („Good
Governance“) des zu prüfenden KMUs ab.
Man muss davon ausgehen, dass viele Gläubiger auf die
Durchführung gewisser Minimalprüfungen bestehen werden. Deren Vorteil
liegt auf der Hand: Sie können individuell auf die spezifischen
Bedürfnisse von KMU ausgerichtet werden.
Die Wahl der Revisionsart sollte sich nicht in erster
Linie an den Prüfungskosten orientieren. Vielmehr sollten alle Chancen
und Risiken der eR aufgrund der konkreten Situation und Bedürfnisse des
KMUs und dessen Gläubiger sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. In
die Waagschale zu legen sind Sicherheit, Vertrauen, Unternehmensführung
und Prüfungsmehrwerte. Fachmännische Beratung durch den Spezialisten
lohnt sich in diesen Fragen auf jeden Fall, um nicht eine falsche
Erwartungshaltung aufzubauen.
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