Unklare Steuerfolgen von Rückzahlungen
Geld zurück – Steuern auch?
Das Leben hat zu viele
Facetten, als dass die Steuergesetze alle Eventualitäten abdecken
könnten. So ist beispielsweise nicht klar geregelt, was auf steuerlicher
Ebene geschehen soll, wenn "Abgezocktes" zurückgegeben werden muss.
In letzter
Zeit mehren sich Fälle, in denen – unter dem Druck der Öffentlichkeit –
hochbezahlte Manager börsenkotierter Unternehmen einen Teil ihrer
historischen, nachträglich jedoch als übersetzt taxierten Boni zurück in
die Kasse des Arbeitgebers legen müssen. Und auch bei Exponenten des
Staates oder Führungskräften in öffentlichen Unternehmen kommt es immer
öfter vor, dass Kontrollorgane, wenn sie Unterlagen aus vergangenen
Jahren unter die Lupe nehmen, auf Ungereimtheiten bei den Nebenbezügen
oder Fehlinterpretationen bei der Unterscheidung zwischen geschäftlichen
und privaten Kosten stossen. Wird dann die medial hochgekochte Affäre
durch eine Rückzahlung ausgebügelt, stellt sich die knifflige Frage, wie
sich die Rückgabe in den Steuerrechnungen der Angeprangerten
niederschlagen soll.
In der
Fachwelt besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass sich eine solche
Rückleistung steuermindernd auswirken müsste. Das gebietet das Prinzip
der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Wer weniger
Einkommen hat, weil er nicht alles definitiv behalten darf, soll weniger
Einkommenssteuern zahlen.
Nicht ganz
klar sind allerdings die zeitlichen Aspekte. Wenn die ursprüngliche
Leistung dem Jahr 1 zuzuordnen ist, die Rückleistung aber – und es ist
fast immer so, dass zwischen dem einen und dem anderen ein grösserer
Zeitabstand besteht – erst in einem späteren Jahr 2 erfolgt, gibt es
grundsätzlich zwei Möglichkeiten der steuerlichen Behandlung:
Rückzahlung als Steuerabzug
Für
steuerliche Zwecke wird das Leben in Steuerjahre zerhackt. Das nennt
sich Periodizitätsprinzip. Jedes einzelne Jahr wird weitgehend isoliert
betrachtet. Die Höhe der Steuerrechnung richtet sich in erster Linie
nach dem in diesem Jahr Zugeflossenen (Einkünfte) und Abgeflossenen
(Abzüge). Querverbindungen zwischen einzelnen Steuerjahren sind rar. Und
wenn ein Steuerjahr definitiv abgerechnet ist, dann soll es nur unter
eng definierten Voraussetzungen wieder aufgerollt werden können. So will
es das Prinzip der Rechtskraft.
Deshalb
werden Nachzahlungen von Renten oder Alimenten in der Regel erst im Jahr
des effektiven Zuflusses besteuert, auch wenn ihr eigentlicher Grund in
vergangenen Jahren liegt. Ähnlich auch Boni, die auf der Basis der
kommerziellen Erfolge des Arbeitgebers in abgelaufenen Geschäftsjahren
bemessen werden. Und auch bei den Abzügen können beispielsweise
Hypothekarzinsen oder Verzugszinsen für verspätete Steuerzahlungen erst
im Jahr der Fälligkeit geltend gemacht werden, selbst wenn sie sich
teilweise auf frühere Zeiträume beziehen. Desgleichen sind Kosten des
Liegenschaftsunterhalts erst im Jahr der Fakturierung resp.
Rechnungszahlung abziehbar, nicht schon im Jahr der Unterhaltsarbeiten.
Nach diesem
Behandlungsmuster wären Rückgaben im Jahr der effektiven Zahlung
abziehbar. Das kann allerdings in manchen Fällen seine Tücken haben.
Möglicherweise ist das Einkommen des Betroffenen im Jahr der Rückzahlung
nicht hoch genug, um den Abzug zu absorbieren. Sei es, weil der
Geldbetrag ausserordentlich hoch ist, sei es, weil der Rückzahlende auf
Grund der Vorkommnisse seinen Job verlor oder sein Einkommen aus
sonstigen Gründen schrumpfte. Illustrativ ist das berühmte Urteil des
obersten US-amerikanischen Gerichtes im Fall James versus United
States. Ein Gewerkschaftsfunktionär namens Eugene James zwackte im
Jahr 1 drei Millionen vom Gewerkschaftskonto ab. Die Tat flog auf. Er
musste im Jahr 2 alles wieder abliefern. Rückschläge warteten auf ihn
allerdings auch an der Steuerfront. Er wurde dazu verurteilt, im Jahr 1
die drei Millionen als Einkommen zu versteuern. Denn seit der Staat
Steuern erheben kann, erhebt er sie, wo er kann, und auch illegales
Einkommen ist steuerbares Einkommen. Im Jahr 2 hätte Eugene James dann
zwar einen Steuerabzug von drei Millionen zugute gehabt. Das nützte ihm
freilich wenig, weil er als Insasse einer Besserungsanstalt nur noch
stark eingeschränkte Möglichkeiten der Einkommenserzielung hatte.
Es kann aber
auch sein, dass der Betroffene im Jahr der Rückzahlung schon in einem
anderen Kanton oder Land lebt. Der Fiskus am neuen Steuerwohnsitz wird
einen steuermindernden Abzug für den Rückfluss kaum mit Begeisterung
akzeptieren, weil er den historischen Zufluss nicht besteuern konnte.
Rückwirkende Neutralisierung
Die
Alternative ist eine Korrektur der historischen Steuerrechnungen für die
Jahre der Zuflüsse der nun zurückzuzahlenden Leistungen. Die Rückgabe
müsste dann allerdings als eine "neue Tatsache" interpretiert werden
können, damit die im Gesetz vorgesehene Revision rechtskräftiger
Veranlagungen überhaupt in Gang gesetzt werden kann. Und der Betroffene
muss sich beeilen, denn für das von ihm zu stellende Revisionsbegehren
wäre es bereits 91 Tage nach Entdeckung des Revisionsgrundes schon zu
spät.
Doch auch
dieser Lösungspfad bringt Fragezeichen mit sich. Die Fälle aus der
Praxis zeigen, dass sich die Rückgaben oft auf mehrere zurückliegende
Jahre beziehen und sich die Parteien – weil sich nicht mehr alles ganz
genau rekonstruieren lässt und gewisse Teilelemente umstritten bleiben –
oft auf einen runden Gesamtbetrag als Kompromisslösung einigen. Dann ist
das Herausfiltern der Verteilung auf die einzelnen Steuerjahre nicht
einfach. Abgesehen davon, dass es recht umständlich ist,
Steuerveranlagungen für eine ganze Reihe von Jahren zu ersetzen.
Namentlich dann, wenn eine Steuerpflicht in mehreren Kantonen oder sogar
mehreren Staaten besteht.
Zu denken
ist auch an die mögliche Konstellation, dass die historischen Leistungen
in den historischen Steuererklärungen des Betroffenen fehlen, obwohl sie
dort hätten deklariert werden müssen. Beim Behandlungsmuster der
rückwirkenden Neutralisierung würde sich dann die Frage stellen, ob der
vergessliche Akteur, der auch nicht die Notbremse einer rechtzeitigen
Selbstanzeige zieht, belangt werden kann für Nichtdeklaration von
Einkünften, welche sich retroaktiv verflüchtigen.
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